AcademiaNet – wie ein Internetportal (keine) Probleme löst…
Social Networks und dazugehörige Internetportale werden nicht nur zur privaten Kommunikation, als „Fototauschecke“ oder schlicht zum Zeitvertreib genutzt, sondern vor allem auch, um gutes Selbstmarketing zu betreiben und für den Fall, dass man gegoogelt wird, gerüstet zu sein. Ganz nach dem Motto: ich bin im Netz – also bin ich!
Ein Portal, das die Sichtbarmachung und das Selbstmarketing seiner Nutzerinnen verbessern will, ist das kürzlich eröffnete AcademiaNet. Es handelt sich um eine Initiative der Robert Bosch Stiftung sowie dem Spektrum der Wissenschaft, die davon ausgehen, dass „passende Instrumente [fehlen], um schnell sehr gute und geeignete Wissenschaftlerinnen [für Führungspositionen] zu finden.“ Die weibliche Form, Wissenschaftlerinnen (ohne Großbuchstaben, Leerstelle, Quer- oder Unterstrich), meint hier tatsächlich nur die weiblichen Wissenschaftlerinnen!
Es ist richtig, dass gerade mal „rund 12% der höchstdotierten Professuren in Deutschland“ mit Frauen besetzt sind. Ebenso mager gestalten sich die Zahlen des Frauenanteils in wissenschaftlich entscheidenden Kommissionen und Gremien. Natürlich im Sinne der Gleichberechtigung eine drängende Motivation, dies langfristig zu ändern. Doch was sind die Gründe für den geringen Anteil der Frauen in Führungspositionen? Ist es so, dass hochkarätige Wissenschaftlerinnen einfach nicht präsent sind bzw. nicht gefunden werden? Und würde man bei der anstehenden Besetzung des Vorstandes eines DAX Unternehmens gerne mal in ein Portal mit hochqualifizierten Frauen schauen und daraufhin die geeignete Managerin für den Job auswählen, weil man sie über eine Stellenausschreibung oder Headhunter nicht findet?
Wohl eher nicht. Die Karriere-Wirklichkeit sieht anders aus. Passende Bewerber werden in der Regel im nahen Umfeld „ausgeguckt“ bzw. bestimmt und leider nicht über ein offenes Internetportal. Hinzu kommt, dass die „exzellenten Wissenschaftlerinnen“ auf Academica Net vorgeschlagen werden müssen, um in den erlauchten Kreis aufgenommen zu werden. Auswahlkriterien sind neben der Publikationstätigkeit, Preise, Anerkennungen und/oder Stipendien sowie Drittmitteleinwerbung, des Weiteren Patente und Vorträge auf Fachkonferenzen. Frauen, die diesen Anforderungskatalog erfüllen und tatsächlich vom „Lenkungsausschuss“ („hochrangige Personen“ aus z.B. DFG, Wissenschaftsrat oder Fraunhofer-Gesellschaft) „benannt“ wurden, sind – so könnte man meinen – in der scientific community erfolgreich angekommen und sowieso sichtbar und bekannt.
Natürlich ist es gerade für Nachwuchswissenschaftlerinnen ermutigend, durch so ein Portal zu clicken und zu sehen, dass es Frauen geschafft haben, sich derart zu qualifizieren. Auch die Leistungen der Auserwählten werden tatsächlich nach außen transparenter und z.B. für Journalisten oder Konferenzorganisatoren leichter einsehbar. Den Anspruch jedoch, die Prozentzahl der Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen durch die Gestaltung einer Website zu erhöhen, bleibt wohl eher ein netter Wunsch. Um ein anderes prominentes Beispiel zu nennen: auch das Portal für junge Wissenschaftler_innen KISSWIN – mit großem Aufwand und öffentlichkeitswirksam präsentiert – ändert nichts an den schlechten Bedingungen des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland und wird nicht gerade von Interessierten „überrannt“. Zu fragen bleibt also, ob solche Internetportale das richtige Instrument sind, um im deutschen Wissenschaftssystem etwas zu bewegen?
Die Karrierefallen auf dem Weg zu einer Leitungsposition im akademischen Bereich liegen meines Erachtens, vor allem für Frauen, an anderer Stelle: (Junior-)Professuren auf Zeit, 12-Jahresregelung und die nach wie vor schlechte Vereinbarung einer Vollzeitprofessur mit Familie machen Kinder zu einem Karriererisiko; männlich dominierte Netzwerkstrukturen, weniger machtorientierte Kommunikations- und Handlungsstrategien der Frauen sowie eine (oft übertriebene) kritische Reflektion der eigenen Tätigkeit (siehe auch „Wissenschaftlerinnen sind keine Haifische“) und schlechte Selbst-PR verhindern professionelles Engagement von weiblichen Führungskräften in den entsprechenden Positionen.
Wie gesagt… AcademiaNet kann Mut machen und vielleicht dabei helfen, akademische Frauennetzwerke zu stärken – es schafft aber noch längst keine andere soziale Wirklichkeit!
26. November 2010 um 02:35
Amen!
mein Sicherheitscode hier übrigens: heiraten. Zufall, oder legen Sie das fest?
26. November 2010 um 15:38
Hallo „bleistifterin“, hallo Vanessa-Isabelle,
eine/n Partner/in zu haben (und ggf. heiraten) ist vielleicht doch nicht die schlechteste aller Ideen! 😉
Das kann sogar in einem Buch zum BuWiN nachgelesen werden (in Burkhardt, Anke [2008, S. 294-295): „Wagnis Wissenschaft“ – das Buch zum Bundesbericht zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland).
Allerdings gibt es daneben durchaus noch Spielraum (wenn auch leider begrenzten), die Erfolgschancen als (promovierte) HSA zu beeinflussen: siehe meinen soeben online gestellten Blog-Beitrag. (Der war schon länger geplant, jetzt kam ich endlich dazu.)
28. Januar 2011 um 18:16
Sehr interessante Informationen, vielen Dank dafür.
Beschäftige mich schon eine ganze Weile damit und finde es immer Klasse die Meinung anderer zu erfahren.
Also nochmals – vielen Dank.
30. Januar 2011 um 14:39
Ganz ehrlich? Ich habe für mich selbst noch nicht die Lösung gefunden… Sind social networks eher privat oder doch gewerblich zu nutzen…?
Viele Seo-Optimierer behaupten Seo ohne geht nicht…. Aber wenn man nach dem Ergebnis schaut, so kann man nciht wirklich etwas vorweisen. Wo wird das mit social networks enden?