Die Krise der Universitäten – eine Chance?
Krise ist etymologisch gesehen nichts, was depressiv und frustriert machen muss – ganz im Gegenteil. Eine Krise entsteht, wenn sich Verhältnisse und Bedingungen zuspitzen und führt damit zu einer Entscheidung und Beurteilung und letztlich zu einem Wendepunkt. Das deutsche Universitätssystem ist mit der Einführung des Bachelor und Master in der Folge der Bolognabeschlüsse in eine Krise gekommen und einmal so richtig durch- und wachgeschüttelt worden. Seit etwa zehn Jahren wird nun umgebaut, gestrichen, neu ausgerichtet, geprüft und wieder umgebaut. Das alles kostet Geld und Kraft. Letztlich machen Umbauten aber nur dann Sinn, wenn danach alles schöner, passender und alle zufriedener geworden sind. Dem scheint im Moment nicht so. Sogar die Studenten, die wohl seit den 1960er Jahren nicht mehr so hochschulpolitisch aktiv waren, reißt es aus einer lethargischen Wie-bekomme-ich-meinen-Schein(meine-credits)-Haltung und die Hochschullehrer haben –wenn auch spät –gemerkt, was Bologna den Universitäten bis heute gebracht hat.
Ich begrüße die Krise der deutschen Universitäten und die Diskussion um eine Reform der Reform, denn sie bietet die Chance sich wieder neu darauf zu verständigen, was (universitäre) Bildung eigentlich heißt, wozu wir Wissenschaftler forschen und lehren und warum Menschen studieren möchten. Alle sogenannten „Elite“-Universitäten auch im Ausland arbeiten nach dem originär deutschen (humboldtschen) Prinzip der ersten Berliner Universität: Einheit von Forschung und Lehre und das in größtmöglicher Freiheit und überall da, wo „innovative“ Lehr- und Lernkonzepte angeboten werden (z.B. Zeppelin Universität Friedrichshafen) besinnt man sich auf diese Prinzipien. Bildung heißt im Kern Selbstbildung, angeregt durch eine freie Wechselwirkung von Selbst und Welt und diese ist das genaue Gegenteil von festen Curricula und Kontrollen, Anpassung des Individuums an marktwirtschaftliche Bedingungen und die penible und passgenaue Vorbereitung der Studierenden auf eine Zukunft, die sowieso niemand heute schon kennt.
Den humboldtschen Bildungsbegriff immer im Hinterkopf sollten wir alle daran arbeiten, diese Krise nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, sondern eine Universität mit klaren Strukturen zu schaffen, die die Beteiligten unterstützen, aber nicht behindern und so maximale Gestaltungsfreiheit und Kreativität ermöglichen.
26. November 2009 um 14:30
Diesem Statement möchte ich mich anschliessen. Eine Verschulung wäre nicht der richtige Weg die deutschen Universitäten wieder konkurrenzfähig zu machen. Der Bachelor kann als eine Art Vordiplom vielleicht nützlich sein, wenn jemand hinterher seine Fachrichtung etwas ändern möchte, aber als Vollstudium würde ich ihn nicht akzeptieren. Dafür gibt es die Fachhochschulen.
26. November 2009 um 17:43
War nicht ein Ziel der Bachelor- / Master-Umstellung die Zahl der Studienabbrecher durch ein modulares System zu verringern? Ein Bachelor sollte daher doch ein erster berufsqualifizierender Abschluss sein. Allerdings fehlt es hier – wie bereits in einem anderem Blog ausgeführt – an klaren Zielvorstellungen und Perspektiven. Ebensowenig ist die Einordnung Bachelor-Uni / Bachelor-FH zu anderen Ausbildungsformen – Geselle/Meister bekannt.
Ist das vielzitierte humboldtsche Bildungsideal heute noch sinnvoll umsezbar bzw. überhaupt noch wünschenswert? Ich habe da erhebliche Zweifel wenn man bedenkt, daß zu Humboldts Zeiten Bildung nur einer doch recht wohlhabenden Minderheit zugänglich war.
Im Gegensatz hierzu steht der Ansatz Bildung einer möglicht breiten Bevölkerungschicht zugänglich zu machen und ihnen damit eine enstprechende Perspektive zu ermöglichen. Hierzu gehört auch, dass man den Studierenden auch einen berufsqualifizierenden Abschluss unter vernüftigen Bedingungen ermöglicht. Ein Studium was einzig und allein auf die weitere Befähigung zur Forschung abzielt ist daher ebensowenig sinnvoll wie eine völlige Verschulung der Studiengänge.
Letztendlich erwartet man doch von Hochschulabsolventen eigenständiges Handeln und die Fähigkeit verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Dies kann aber nicht durch eine Entmündigung der Studenten entstehen.