Wissenschaftlerinnen sind keine Haifische

Es fängt vielversprechend an: sehr viele Mädchen – sogar mehr als Jungen – machen Abitur, viele von ihnen studieren, manche doktorieren, wenige habilitieren und nur ein Bruchteil wird Professorin. Wo bleiben die Frauen?

Sicherlich ist der Frauenanteil in wissenschaftlichen Leitungspositionen in den letzten Jahren stetig gestiegen, doch noch immer besitzt beispielsweise die Schweiz einen ordentlichen und außerordentlichen Professorinnenanteil von nur 14% und damit stellt sie keine Ausnahme dar – mindestens 40% müssen erreicht sein, damit man überhaupt anfangen kann, von Gleichberechtigung zu sprechen. Aber warum braucht es denn überhaupt Gleichberechtigung und Wissenschaftlerinnen? Die offizielle Wissenschaftswelt kam ja auch Jahrhunderte ganz gut ohne sie aus – einmal abgesehen von den intelligenten Frauen hinter den berühmten Wissenschaftlern…

Gleichberechtigung WissenschaftMeine Antwort darauf ist relativ simpel und frei von arbeitsmarktpolitischen Überlegungen: weil Frauen anders – nicht besser und nicht schlechter – als Männer Wissenschaft machen. Um so etwas wie Fortschritt, wie immer der auch aussehen mag, anzustreben, brauchen wir die unterschiedlichsten Denkweisen, Fähigkeiten und Ansätze. Heterogenität – heute oft zum Modewort verkommen – ist hier tatsächlich ein Wert. Um „die eigene Art“ Wissenschaft betreiben und unkonventionelle Ansätze ausprobieren zu können, müssen in der modernen Wissenschaftswelt aber zunächst Machtkämpfe gewonnen werden. Und diese gewinnt man mit hoher Wahrscheinlichkeit als Frau – und das ist u.a. von Männern wissenschaftlich erwiesen – nur dann, wenn ein bestimmter Frauenanteil im Entscheidungsgremium sitzt. Nicht, weil die „bösen“ patriarchischen Strukturen keine Frauen dulden würden, sondern weil subtile, soziale Prozesse, (Männer)Netzwerke und nicht zuletzt biologische Aspekte (z.B. leisere Stimme, Körperhaltung oder ganz einfach Mutterschaft) den Aufstieg von Frauen in (wissenschaftliche) Führungspositionen immer noch trotz aller Aufklärung um Genderaspekte erschweren.

Hinzu kommt ein zum Teil weiblich-selbstverschuldeter Punkt: Frauen sind häufig kritischer in der persönlichen Leistungsbeurteilung, äußern öfter eigene Defizite als Potenziale, sind erfolgreich, aber reden kaum darüber und agieren auf dem Weg in Führungspositionen bescheidener und zurückhaltender als ihre männlichen Kollegen.

Frauen sind keine Haifische, obwohl ein bisschen fressen, statt gefressen werden mancher Frau ganz gut täte! Solche sozial und genetisch bestimmten, eher weiblichen Verhaltensweisen und tatsächlichen Benachteiligungen berechtigen natürlich die Existenz von Frauenförderprogrammen, Gleichstellungsbeauftragten und speziellen Netzwerken bzw. Mentoringprogrammen und wie könnte ich so etwas als Frau nicht begrüßen! Allerdings kann ich durchaus Männer verstehen, die langsam den Satz „Frauen werden bei gleicher Eignung bevorzugt“ nicht mehr lesen können und sich angesichts der aus dem Boden schießenden Frauenförderprogramme selbst benachteiligt fühlen.

Ich denke, wir sind in der Problematik und Ursachenforschung heute weiter und das Thema „Gleichberechtigung“ ist wesentlich komplexer, als dass wir nichtssagende Floskeln in Stellenausschreibungen bräuchten. Umfassende Programme, die letztlich der Sache „Wissenschaft“ und damit beiden Geschlechtern dienlich sind, müssen her: Mittel für Nachwuchsförderung, tenure track, Familienfreundlichkeit, Stellen für „mitreisende“ Partner und nicht zuletzt mehr Transparenz in Berufungsverfahren… um nur einige Ansatzpunkte zu nennen.

Die Universitäten der Schweiz diskutieren im Rahmen von Chancengleichheitsprogrammen radikale Maßnahmen wie finanzielle Anreizsysteme (Prämien) als Belohnung für den jeweiligen Fachbereich pro erfolgter Einstellung einer Professorin – was ich allerdings wiederum davon halten soll, weiß ich selbst noch nicht so genau…

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30 Kommentare zu “Wissenschaftlerinnen sind keine Haifische”

  1. Annabell Berger meint:

    Ich möchte gern im Sinne der Frauen einige Bemerkungen zu diesem Artikel machen. Vorerst vielleicht: Ich erlebe in meinem Umfeld eher selten Professoren, die ich als Haifische bezeichnen würde. Vielmehr würde ich behaupten, dass ein Großteil der Männer-und das ist sicherlich erziehungsbedingt patriarchalisches Verhalten- sich eben häufig nur einer Aufgabe widmen, nämlich „der Versorgung der Brut“, was in diesem Umfeld eben mit Forschung gleichzusetzen ist“. Frauen neigen eher dazu, viele Dinge gleichzeitig zu machen und möchten ihr Leben etwas vielseitiger gestalten. Ich erinnere mich daran, diesbezüglich schon häufig auf Unverständnis bei Männern gestoßen zu sein. Argumentationen: „Menschen, die so viele Sachen auf einmal können, beherrschen meistens nichts wirklich tiefgründig.“ herrschen sehr häufig vor. Wenn nun Berufungskomissionen zum Großteil aus Männern bestehen, ist es kein Wunder, dass diese eher weibliche Eigenschaft eher als Nachteil gesehen wird. Ich halte das nicht für ein böswilliges Verhalten von Männern, sondern für eine aus Sicht der Männer nachvollziehbare Ansicht. Umgekehrt würde eine aus Frauen bestehende Gruppe eher weibliche Eigenschaften präferieren. In diesem Sinne kann es sinnvoll sein, eine Frauenbeauftragte einzusetzen, die die Chancengleichheit herstellen soll. Leider besitzen Frauenbeauftragte inzwischen ein furchtbar schlechtes Image. Letztlich bleibt immer wieder die Frage, mit welchen Kriterien misst man die Güte eines Bewerbers? Und wenn sich die Kriterien der Frauenbeauftragten von den Kriterien der anderen Mitglieder einer Berufungsk. unterscheiden, dann wird diese kaum auf Verständnis stoßen können. Denn was heißt denn „gleiche Eignung“ genau. Ich persönlich bin nicht der Ansicht, dass ich anfangen sollte, andere zu fressen und ich fände es nicht sehr schön, wenn dass die Botschaft der Frauenbewegung sein soll. „Du musst ein Schwein sein auf dieser Welt?“ Der Preis ist mir zu hoch, denn in solch einer Gesellschaft möchte ich nicht leben.

  2. Dr. Elisabeth Engelmeyer meint:

    Liebe Frau Reinwand, ich stimme Ihrem Artikel insbesondere auch dem Titel – voll zu. Auch ich bin eine, die unterwegs „hängen geblieben“ ist, weil sie sich in Männernetzwerken verhakt hat. So wurde meine dreijährige Arbeit in einem Forschungsprojekt von zwei Kollegen veröffentlicht, die sich über Frauenförderung lustig machten. Ich wurde nicht gefördert, sondern, nachdem meine Arbeit abgesahnt war, letztlich unsichtbar gemacht und entsorgt statt gefördert. Obwohl ich mich gewehrt habe, hat mir das sowohl seelisch als auch beruflich geschadet und mein Selbstbewußtsein beschädigt. Wenn Hochschulen den Mangel an wissenschaftlichem Nachwuchs beklagen, wundert mich das angesichts solcher Praktiken – von denen ich inziwischen weiss, dass sie an der Tagesordnung sind – nicht. Das betrifft auch Männer. Allerdings werden die eher in Netzwerke einbezogen und profitieren davon als Frauen.

  3. Heidi Ludewig meint:

    Sehr geehrter Herr W. (Name von der Redaktion gekürzt),
    trotz der Tatsache, dass es in den Ingenieur- und Naturwissenschaften mehr Stellen gibt, geht der Frauenanteil unter den Professoren gegen Null. Ich bin nicht Ihrer Meinung, dass Frauen schlechter qualifiziert sind, es sei denn, es geht Ihnen nur um die Zahl der Veröffentlichungen. Meine eigenen Erfahrungen als fast promovierte Ingenieurin bei der Stellensuche sind geprägt von offensichtlichen Benachteiligungen gegenüber Männern. Das geht bis hin zu Verschwinden lassen der Bewerbung und bewusstes Ausschließen der Frauenbeauftragten.

  4. Uli Sattler meint:

    Lieber Herr W. (Name von der Redaktion gekürzt), da haben sie uns ja eine interessante Meinung kundgetan. Haben sie vielleicht auch Fakten, die ihre Einschaetzungen untermauern koennten? Bezueglich (a) wuerde es mich interessieren, wie diese Beobachtungen den schwindenden Frauenanteil in Nicht-Orchideen-Faechern erklaert. Und dann faende ich genauere Angaben bezueglich (b) auch hoechst interessant – besonders nach meinen Erfahrungen als Mitglied in deutschen Berufungskommissionen.

  5. nina meint:

    ich habe auch einfach den Eindruck, dass dadurch dass es ast keine Frauen als Professorinnen gibt, es auch jenseits der Vorstellungskraft eines Professors ist dass eine Frau Professorin ist.

  6. eva meint:

    Nach meinem Kenntnisstand ist ein weiterer Punkt, dass Frauen durchschnittlich weniger publizieren und weniger Vorträge halten, auch wenn sie ansonsten quantitativ gesehen genau so viel wissenschaftliche Arbeit leisten (oder mehr!?).
    Müssen sich Männer im gleichen Maße wie Frauen darum kümmern, dass der Kühlschrank voll ist, die Wäsche eingeräumt, der Strom umgemeldet, die Einladungskarten geschrieben, die Tante besucht, und der Hund zum Tierarzt gebracht wurde? Oder gibt es nicht immer noch reichlich viele Männer, die sich um die zeitraubenden „Kleinigkeiten“ des Alltags gar nicht selbst kümmern müssen und sich stattdessen voll und ganz auf ihre Karriere – und nur auf diese – konzentrieren können?

  7. Melanie Stadler meint:

    Liebe Frau Reinwand

    Sie sprechen ein Thema an, dass alt und doch immer wieder erschreckend aktuell ist.
    Sie schreiben ueber die grosse Anzahl junger Frauen, die das Abitur machen. Wohin bewegt sich unsere Gesellschaft, wenn es Leute gibt wie Herr W. (Name von der Redaktion gekürzt), die noch immer an die alte Maer glauben, Frauen seien einfach fuer eine Professur weniger qualifiziert als Maenner?

    Schauen wir den Fortschritt an: Immerhin gibt es viele junge Frauen, die das Abitur machen und studieren koennen.
    Was aber geschieht waehrend des Studiums und danach? Die wissenschaftliche Laufbahn ist ganz einfach hart: grosser Einsatz, grosse Mobilitaet, finanzielle Unsicherheiten, usw. Sie faellt in eine Zeit, wo Frauen sich auch mit der Frage auseinandersetzten muessen, ob und unter welchen Bedingungen sie ein Familie mit Kindern haben wollen. Diese Frage stellt sich fuer Maenner ganz anders: sie koennen sie bis fast ins Pensionsalter hinausschieben.

    Ich stimme Ihnen zu, Frau Reinwand, dass Frauen andere Schwerpunkte setzen, dies abgesehen von der Familienfrage. Und manchmal ist es eine gesunde Entscheidung, sich nicht um jeden Preis auf die Aeste hinaus zu lassen. Elisabeth Engelmeyer hat angedeutet, dass gewaltaeige Praktiken an der Tagesordnung sind. Das gilt zwar auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, und es sind Maenner wie Frauen, die darunter leiden.

    Und Maenner und Frauen brauchen als wissenschaftlich Taetige eine gewisse Naivitaet zu meinen, es ginge an den Universitaeten und in den Forschungsinstitutionen um Wahrheit, Qualitaet, Qualifikationen und lauter solche Inhalte. Und sie brauchen ab und zu die Erfahrung, dass es manchmal noch Leute gibt, denen es auch wirklich um Wissenschaft geht.
    Viele wollen sich bewusst nicht auf solche Bedingungen einlassen, weil es Alternativen gibt.

  8. Susi Waganer meint:

    Nach der Anzahl von Publikationen zu urteilen ist ohnehin ein „hirnrissiges“ Kriterium, so scheint mir. Aber davon einmal ganz abgesehen, habe ich den Eindruck, dass Frauen bespielsweise auch die Lehre viel ernster zu nehmen scheinen als Männer – und gute Lehre kostet viel Zeit, die von den ach sooo wichtigen Publikationen (und seien es selbst immer dieselben Thesen nur unter anderem Deckmantel) abhält… Da stellt sich nun ernsthaft die Frage, was wichtiger ist!

  9. Stefan meint:

    Herrn W. (Name von der Redaktion gekürzt) rate ich, wenigstens EINMAL in einer Berufungskommission mitzuarbeiten. Das wirkt gegen allzu einfache Vorstellungen und Erklärungen.
    Selbst wenn sich alle Mitglieder Mühe geben, es ist und bleibt eine komplexe Angelegenheit, weil immer viele Kriterien eine Rolle spielen, nicht zuletzt die soziale Dynamik, die Netzwerke, die Feinde …
    Schade ist nur, dass den Nicht-Berufenen Hartz IV winken könnte …

  10. MB meint:

    Guten Tag. Meinem Empfinden nach wimmelt es in diesen Beitraegen an allerlei Klischees. Allein die Behauptung, dass Frauen andere oder anders Wissenschaft betreiben wuerden als Maenner. Gibt es dazu Daten? Ist die Streuung wissenschaftlicher Herangehensweisen zwischen Frauen und Maennern signifikant groesser als innerhalb der Gruppe der Maenner oder der der Frauen? Oder wird das einfach nur so dahingesagt, weil es sich so gut dahinsagt? Man koennte sogar weitergehen und behaupten, wenn denn die Herangehensweise unterschiedlich ist, dann koennte es doch durchaus angebracht sein, auf bestimmten Gebieten bevorzugt Maenner oder bevorzugt Frauen einzusetzen?! Das entspricht ja schon ziemlich dem ueber Jahrhunderte tradierten Frauenbild. Ist also diese Behauptung letztlich von Nachteil fuer die Frau?

    Nun komme ich von einer Universitaet, an deren Lehrstuhl drei Professuren angesiedelt waren, zwei davon von einer Frau besetzt. Und es handelte sich um ein naturwissenschaftliches Institut. Daher moechte ich, der ich seinerzeit Oberassistent war, gern die Behauptung in Frage stellen, Frauen wuerden sich besser in der Lehre engagieren (Susi Waganer). Unserer Professorin war Lehre eher ein UEbel, dass sie von der Forschungs- und Forschungsreisetaetigkeit abhielt. Gern wurde daher soweit wie moeglich die Lehre an die Assistenten delegiert, und um der Lehrverpflichtungsordnung genuege zu tun, wurden die (maennlichen und weiblichen) Assistenten sanftem Druck ausgesetzt, die von ihnen abgeleisteten Praktikumsstunden an die Professorin abzutreten (auf dem Papier, wohlgemerkt). Dafuer gab es im Gegenzug ein wenig von den Geldern, die sie ueber Drittmittelprojekte und Netzwerke eingeworben hatte, so dass auch die Assistenten Durstphasen in der Forschungsfinanzierung ueberstehen konnten. Das gab der Professorin praktischerweise auch ein Argument, schliesslich auf den Veroeffentlichungen der Assistenten als Koautorin zu erscheinen, selbst wenn sich ihr intellektueller Input in bestimmten Projekten gegen Null bewegte. Aber es gibt eben auch gut funktionierende Frauennetzwerke, die sich bis in die DFG hineinspinnen… Ein Einzelfall?

    Der Ratschlag von Frau Melanie Stadler, Maenner koennten die Phase ihrer Familienplanung bis fast ins Pensionsalter hinausschieben, enthaelt schon eine gehoerige Portion an Zynismus. Ich weiss nicht, was Frau Stadler so verbittert gemacht hat, aber sie darf sich gern vorstellen, dass auch Maenner lieber im Alter von 20-30-40 Jahren eine Familie gruenden als im Alter von 50-60-70. Auch bevorzugen die meisten Maenner eine Partnerin in einem aehnlichen Lebensalter, und die Konstellation 60-jaehriger (zeugungsfaehiger) Mann und 30-jaehrige (gebaehrfaehige) Frau ist eher den Klatschspalten entnommen denn der breiten Realitaet. Uebrigens: Ich (maennlich) war 24, als mein Sohn geboren wurde, und bin gluecklich, so jung Vater geworden zu sein und nicht erst als Pensionaer.

    Und wenn sich eva beklagt, dass sich Frauen darum kümmern, dass der Kühlschrank voll ist, die Wäsche eingeräumt, der Strom umgemeldet, die Einladungskarten geschrieben, die Tante besucht, und der Hund zum Tierarzt gebracht wurde, dann moechte ich dem erwidern, dass sich die Frau dann wohl den falschen Partner ausgesucht hat. Oder ein wenig polemischer: Wenn die Frau nicht in der Lage ist, ihren Kuehlschrank oder ihre Partnerschaft zu organisieren, wie soll sie dann wohl in der Lage sein, einen Lehrstuhl zu organisieren?

    Noch etwas allgemeiner. Formulierungen wie „Frauen werden bei gleicher Eignung bevorzugt“ halte ich fuer skandaloes, da sie das Prinzip der Chancengleichheit in Frage stellen. Auch die Einrichtung einer „Frauenbeauftragten“ widerspricht diesem Prinzip; dementsprechend gab es an unserer Uni auch nur eine „Gleichstellungsbeauftragte“ (die allerdings aussschliesslich von Frauen gewaehlt werden konnte – ein schlechte Witz, wie ich meine).

    Auch durfte ich im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens erleben, dass ich vor Jahren nach Hessen eingeladen wurde und von der dortigen Professorin (!) nach meiner Praesentation die Stelle (als Postdoc) quasi sofort angeboten bekam. Die „Gleichstellungsbeauftragte“ muesse dem zwar zustimmen, was bei meiner Qualifikation jedoch kein Problem sei. Interessant war nur, dass die dortigen Bestimmungen verlangten, dass genausoviele Frauen wie Maenner zum Vorstellungsgespraech eingeladen werden muessten. Also „durfte“ eine weitere Kandidatin – auf eigene Kosten ! – anreisen ohne jegliche Chance. Das zeigt, wohin Reglementierungen fuehren koennen. Daher plaediere ich dafuer, der Qualifikation den Vorzug zu geben und nicht dem Geschlecht. Dementsprechend zeigt die Schar meiner Diplomanden und Doktoranden nahezu ein fifty-fifty Verhaeltnis von Maennern zu Frauen.

    Soweit ein paar Bemerkungen. Sicher mag jeder andere Erfahrungen haben, aber man sollte mit seines persoenlichen Erfahrungen und Vorurteilen vorsichtig und kritisch umgehen. Und so weit ich mich erinnere (nach Berichten des DHV), ist das Geschlechterverhaeltnis bei den Habilitationen und bei den Neuberufungen nicht dramatisch unterschiedlich und von daher ist es nicht nur nicht noetig, sondern kontraproduktiv, „Frauen bei gleicher Eignung zu bevorzugen“. Abgesehen davon, dass damit eine Generation maennlicher Nachwuchswissenschaftler fairer Chancen beraubt wird und quasi fuer die Unbalanziertheit der Geschlechterproportion der letzten Jahrzehnte oder -hunderte bestraft wird.

    Fazit: Bei gleicher Eignung sollten Maenner und Frauen die gleiche Chance haben.

  11. Humberta meint:

    Herr W. (Name von der Redaktion gekürzt) übersieht, daß die Tatsachen, wie sie ihm erscheinen mögen, bereits das Ergebnis selektiver Prozesse sind, über die die hic et nunc Handelnden (z.B. in einer Berufungskommission) nicht zu befinden haben. Es ist frech zu behaupten, die am besten qualifizierte Frau sei bei solchen Gelegenheiten stets noch schlechter qualifiziert, als der schlechteste Mann. Abgesehen von dem angemaßten Beobachter- und Urteilsstandpunkt, der sehr schön die „gewohnte Definitionsmacht“ illustriert (um es herb auszudrücken), sind auch Berufungskommisionen Aufführungsorte ererbter Ungleichheit, die dadurch, wie Adorno sagen würde, fröhlich perpetuiert wird. Das nicht so viele „gute“ Frauen wie Männer in den Bewerbungslisten auftauchen mag sogar stimmen – aber nicht als Ergebnis des natürlichen Spiels der Kräfte, sondern als Ergebnis alteingesessener Ausschluß- und Machterhaltungsmechanismen, die natürlich oft unbewußt ablaufen (ich sage nur: homosoziale Kooptation). Studien bewiesen, daß identische Hausarbeiten besser bewertet wurden, wenn ein Männername, schlechter bewertet wurden, wenn ein Frauenname draufstand. Zudem gibt es immer den offenbar notwendigen Abstand zwischen Meister und Schüler, der dazu führt, daß Mittelmaß Mittelmaß fördert, mit minimaler Abweichung nach unten. Bitte keine ontologischen Fehlschlüsse vom Sein aufs Sollen – und keine Weitergabe der Ansicht, es gebe „weibliche Eigenschaften“. Auch sprachphilosophisch: Es gibt höchstens die Eigenschaft „Weiblichkeit“, die dann mit kontingenten Werten einer Gegenwartsgesellschaft aufgeladen wird. Also: Kreuzungen von Aspirationen auf Macht und Ort, nicht aber Kreuzungen ewiger unwandelbarer Eigenschaften. Unrecht muß benannt werden.

  12. Christoph Meyer meint:

    Also liebe Humberta, der wahrheitsliebe halber sollten Sie Herrn W. (Name von der Redaktion gekürzt) doch richtig zitieren: Er hat NICHT behauptet, dass Frauen STETS schlechter qualifiziert sind als der SCHLECHTESTE Mann, sondern IN DER REGEL ist die BESTE FRAU schlechter qualifiziert als der BESTE MANN. Auch über diese Aussagen kann mann/frau natürlich streiten, aber frau sollte doch nicht (böswillig?) missverstehen.

  13. Stefan meint:

    Herr W. (Name von der Redaktion gekürzt): Es gibt keine Instanz, die beurteilen kann, ob eine Person eine höhere Qualifikation hat als eine andere.
    Äpfel und Birnen sind unterschiedlicher Qualität: Zwei Personen sind schwerlich zu vergleichen. Die Wahl ist letztlich Geschmacksache und mehr noch: Risiko. Wir versuchen einzuschätzen, welche Person unserer Uni langfristig am meisten bringen wird. Sehr schwierige Aufgabe, ob Mann oder Frau. Intuition, Menschenkenntnis und Weitsicht sind gefragt. Das sind Eigenschaften, die eher Frauen zugesprochen werden: also beteiligt euch in Berufungskommissionen. Sie sind extrem spannend! Als Vorbereitung schaue man sich den Film an: Die Zwölf Geschworenen.

  14. Melanie Stadler meint:

    An MB

    Ich habe keine Ratschläge gegeben derart, dass Männer ihre potenzielle Vaterschaft erst gegen das Rentenalter überlegen sollten. Ich habe gesagt, dass die Männer anders als die Frauen einen WEIT grösseren Zeitraum als Chance haben. Willst du das etwa bezweifeln?

  15. nina meint:

    ich komme aus der naturwissenschaft, Mathe,matik. Es gibt in Deutschalnd und Österreich weinge Frauen. Aber um eine Professur zu erhalten muss man immer noch mehr publiziert haben als ein Mann. Weiters sind anscheinend die spanischen, französischen und italienischen Frauen intelligenter, denn besucht man Konferenzen die in diesen Ländern stattfinden, so ist der prozentuale Anteil von Frauen die auch Professorinnen sind viel grösser als Konferenzen, die dutschsprachig dominiert sind.

  16. Luise Grimm meint:

    Wenn es doch so einfach wäre.
    Aber Frauen publizieren meines Wissens nicht weniger. Und oft entscheidet auch keineswegs die Anzahl der Publikationen über die Vergabe einer Professur. Und schon gar nicht die gute Lehre. Dafür umso öfter das Mittelmaß, weil mittelmäßige Professoren natürlich keine Heißdüse in ihre Mitte wollen, die sie dann schlecht aussehen läßt. Oder ihr eigenes Arbeitsgebiet beackert. Das nur nebenbei.

    Naturwissenschaften sind da keineswegs die löbliche Ausnahme. Gerade da wird man heute als Frau immer noch nach Familie und Kindern gefragt und es wird offen angezweifelt, daß man als Mutter voll einsatzfähig für den job ist. Ich bin Physikerin und weiß wovon ich spreche.
    Meine These ist, daß Frauen weniger mobil sind. Sie können nicht in dr PostDoc-Phase durch die Welt gondeln, weil sie meist einen (etwas!) älteren Partner haben, der vielleicht schon im Beruf steht und seinen guten, unbefristeten Arbeitsplatz bestimmt nicht für eine 2 Jahre dauernde schlecht bezahlte PostDoc-Stelle irgendwo aufgibt. Und die ewigen Trennungen hat jeder irgendwann satt. Darum scheren Frauen meist nach der Doktorarbeit aus der Wissenschaft aus und gehen in die Industrie (irgendwo müssen die restlichen Naturwissenschaftlerinnen ja hin, die nicht an den Unis bleiben). Beruf und Familie ist schwierig genug, aber Wissenschaft und Familie ist für Frauen ungleich schwieriger.

  17. Susi Waganer meint:

    Luise Grimm: so sehe ich das auch…

    Man muss wohl enfach akzeptieren, dass Job und Familie auch für Frauen gut funktionieren. Aber Karriere (mit dem tatsächlichen Anstreben von Führungsposten, und demzufolge auch Professorenstellen) und Familie sind wohl ein Ding der Unmöglichkeit und verlangen deshalb wohl in den meisten Fällen die Entscheidung für die eine oder die andere Option…. Es sei denn Frau hat einen Pantoffelhelden als Partner, der ihr den Rücken freihält und flexibel und ohne zu Murren jederzeit seine eigenen Interessen aufgibt und umzieht usw… ein Hausmann am besten :-).
    Und so kann man wohl noch so lange lamentieren… und sich streiten, ob Männer besser sind als Frauen… Man muss einfach akzeptieren, dass die Umstände ungleich sind… und deshalb keine Gleichheit der Ergebnisse erreichbar ist. Nur bei demselben „freien Kopf“ wie ihn ein Mann hat, hat auch eine Frau dieselben Möglichkeiten, dieselbe Qualifikation zu erreichen.

  18. Vanessa-Isabelle Reinwand meint:

    Lieber Herr W. (Name von der Redaktion gekürzt) – zu Ihrem ersten Kommentar: über Ihre Ansichten möchte ich mich garnicht äussern, nur eines: wenn Sie kommentieren, dann lesen Sie bitte die Beiträge vorher genau. Die von mir vorgeschlagenen Programme sollen nicht – wie Sie mich falsch zitieren – Frauen bevorteilen, sondern eben beiden Geschlechtern gleichermassen helfen, z.B. dabei, Privatleben und berufliche Karriere zu vereinbaren – eben auch ein Punkt, an dem Frauen, aber auch Männer scheitern.

  19. Luise Grimm meint:

    Lieber Herr W. (Name von der Redaktion gekürzt),
    ich persönlich will da auch nicht groß jammern, das Einkommen in der Industrie ist so viel besser als die Krebserei auf den befristeten Stellen in der Wissenschaft, daß ich damit gut leben kann. Die Frage ist nur, ob die Wissenschaft damit so gut lebt. Nicht nur die Frauen, auch die guten Männer fliehen zum großen teil aus diesem Zirkus. Mich würde mal interessieren, ob der weibliche Bewerberanteil auf Professuren nicht vielleicht niedriger ist, als der Anteil der weiblichen PostDocs und Doktoren. Ich glaube die meisten Wissenschaftlerinnen schlagen lieber rechtzeitig einen anderen Weg ein. Und das – lieber Herr Wimmeml – sorgt eben dafür, daß nicht die hellsten Köpfe an den Unis bleiben, sondern die stumpfesten. Oder die mit den reichen Frauen… (auch nicht wenige ;o)

  20. Marita Jacob meint:

    Eine kurze Randbemerkung: Der absolute Anteil von Professorinnen allein ist irreführend! Viel wichtiger sind die Übergangsraten der jüngeren Kohorten, nämlich von den Kohorten, bei denen der Anteil der habilitierten Frauen dem der Männer näher kommt als bei älteren Kohorten. Bei den jüngeren sind die Berufungsquoten der Frauen (möglicherweise!) gar nicht sooo viel schlechter als die der Männer – zumindest aber deutlich höher als der Geamtanteil von Professorinnen von 14%. Diese aktuellen Übergangsquoten sind deutlich aussagekräftiger was ‚Diskriminierung‘ in aktuellen Berufungsverfahren anbelangt .

  21. GA meint:

    Zu Marita Jacob:

    Im Juli erschien ein dazu passender Artikel auf academics.de, der darauf hindeutet, dass Frauen bei Berufungsverfahren gegenüber Männern etwas bevorzugt werden.

    Siehe link: http://www.academics.de/wissenschaft/wer_beruft_professorinnen_30737.html

  22. GA meint:

    Drei kleine persönlich erlebte Anekdoten zum Thema, über der sich jeder/ jede der/ die möchte, seine/ ihre eigenen Gedanken machen kann.

    Eine Bekannte, die auf einer Teilzeitstelle arbeitete, hatte sich überlegt promovieren zu wollen. Sie fragte bei drei Profs (männliche) an und bekam drei Angebote (Stipendien bzw. 50% BATI IIa) mit entweder freier Themenwahl oder der Möglichkeit ein Thema „von der Stange“ zu bearbeiten. Sie hat sich dann entschieden in ihrem Teilzeitjob zu bleiben.

    Eine neue Kollegin hatte gerade als Doktorandin angefangen und wurde zu mir ins Büro geschickt, um sich über für sie wichtige Methoden zu informieren. Nach kurzer Zeit des Gesprächs, kam sie damit heraus, dass sie eigentlich gar nicht wirklich promovieren wolle. Ich habe mein bestes gegeben, um sie zur Promotion zu ermuntern und ihr Bedenken zu nehmen. Leider hat sie ihre gerade angetretene Stelle doch wieder gekündigt (und vermutlich nie promoviert). Ich habe bisher von keinem Mann gehört, der eine Promotionsmöglichkeit ausgeschlagen hat, um dafür weiter teilzeitbeschäftigt oder erstmal arbeitslos zu sein.

    Bei einer Bewerbung auf eine Doktorandenstelle wurde mir nach sehr gut verlaufenem Vorstellungsgespräch telefonisch mitgeteilt, dass man mich zwar gerne einstellen wollte, dazu jedoch nicht in der Lage wäre, weil eine Frau eingestellt werden müsse. Die Frauenbeauftragte hatte Druck gemacht.

  23. seso meint:

    Ich stimme den Beiträgen von Luise Grimm und nina voll zu. Als Experimental-Physikerin habe ich in Dänemark, Frankreich, Italien und Spanien in meinem Fachgebiet Professorinnen sowie Frauen kennengelernt, die zumindest in den fest angestellten Mittelbau vorgerückt waren, in Deutschland kann ich mich in meinem Fachgebiet an keine einzige fest angestellte Frau erinnern. Diese Frauen waren nicht intelligenter als deutsche, sondern wurden in der Familienphase unterstützt. Mir dagegen wurde am Anfang der Schwangerschaft gesagt, kommen Sie wieder, wenn das Kind ganztägig anderweitig versorgt ist.

    Mit der geringen Aussicht auf eine feste Stelle in der Wissenschaft (empirische Tatsache, die frau in in Deutschlands Wissenschaftslandschaft selbst beobachten kann) setzt frau die feste Stelle des Partners des wegen der Homogamie [Einhaltung sozialer Grenzen bei der Partnersuche] von Akademikerinnen meist gut verdienenden Partners zudem nicht gern auf’s Spiel (Hausmänner sind extrem rar). Wenn man also nicht auf Dauer getrennt leben will, wird frau zusehen müssen, in einem begrenzten Zeitrahmen eine feste Stelle zu bekommen. Dieser Zeitrahmen ist für Frauen nun mal biologisch begrenzt, falls sie Kinder haben will. Auch wenn es Männer gibt, die gerne in jungen Jahren Kinder haben wollen, so geht ihnen bei einem Verzicht auf Kinder wegen Arbeiten an der Karriere die Chance auf Kinder mit 45 oder älter nicht verloren. Und dann gibt es noch den Effekt, dass Akademikerinnen Kinder vor allem in ehelicher Gemeinschaft bekommen. Wenn dann die Homogamie-Wünsche der Akademikerinnen nicht in Erfüllung gehen, dann bekommen diese partnerlosen Akademikerinnen auch keine Kinder (nur 13 % der Ledigen aber 79 % der verheirateten Akademikerinnen haben Kinder (Gesis.org, ISI32, S. 1), von diesen verheirateten Akademikerinnen mit Kindern sind in Westdeutschland wiederum weitaus seltener berufstätig (40 %) als andere (60 %) (Fokus-Bericht über Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung). Dies kann ich anhand meiner eigenen Erfahrung nur bestätigen. Obwohl ich das Glück hatte, Ganztagsbetreuung organisieren zu können, arbeiten beide Eltern zeit-reduziert und ein Elternteil arbeitet per DSL-Leitung zu Hause. Wer bekommt dies schon hin? Und wer kann so Karriere in der Wissenschaft machen? Meiner Ansicht nach niemand.

    Und das Argument, dass es immer einen besseren Mann gibt als die beste Frau ist ein Totschlag-Argument, da die „beste“ Qualifikation doch wohl auf vielen verschiedenen Eigenschaften und Einflüssen beruht, so dass doch wohl vieles an Vorurteilen und unbewussten Emotionen mit in die Auswahl-Entscheidung fließt. Denn hätte der „beste“ Mann tatsächlich mal weniger Publikationen aufzuweisen, dann würden sie wahrscheinlich als gehaltvoller angesehen oder sein Forschungsgebiet wäre das interessantere.

    Da es meiner Ansicht nach keine wirklich objektiven Kriterien gibt, mit denen der am besten geeignete Mensch für eine Professur herausgefiltert werden kann, bleiben es am Ende doch „Bauch“-Entscheidungen der Mitglieder der Auswahl-Kommission (zumal wegen der vielen Punkte, die bei der Auswahl zu berücksichtigen sind). Und diese „Bauch“-Entscheidungen benachteiligen meiner Ansicht nach Frauen, weil die etablierten Ränge aus Männern bestehen, die in der westdeutschen Kultur aufgewachsen sind. Diese westdeutsche Kultur hat lange Zeit das Bild der Mutter als Hausfrau hochgehalten. So gibt es unter anderem in Deutschland (West) erst seit sehr kurzer Zeit Kindergärten, die längere Öffnungszeiten haben, so dass wenigstens eine Halbtagsstelle zeitlich abgedeckt wird. In Deutschland (West) herrscht(e?) nun mal die Ansicht, das Kind gehört so lang wie möglich zur Mutter.

    Natürlich ist es eine private Entscheidung, wie viel Gewicht frau dem Privatleben im Vergleich zur akademischen Karriere beimisst. Aber warum ist diese private Entscheidung in Deutschland so viel Kariere-bestimmender als in Dänemark, Frankreich, Spanien oder Italien? Doch nicht ohne Grund haben 36 % der westdeutschen Akademikerinnen der Geburtsjahrgänge 1959-1962 keine Kinder (Mikrozensus-Studie 2006 des statistischen Bundesamtes http://www.destatis.de). Wenn in Deutschland von gleichen Chancen von Mann und Frau gesprochen wird, dann denke ich an Wunschträume und komme nicht auf die Idee, es könnte sich um Realität handeln. Dazu sind die gesellschaftlichen Randbedingungen zu kontraproduktiv, meiner Ansicht nach. Vielleicht hat sich dies in den letzten Jahren gebessert, vielleicht wenigstens in den Gesellschaftswissenschaften. Doch ich bezweifle dies, denn eine Studie der Uni Dortmund (www.philtrat.de/node/1055) sieht die steigende Zahl kinderloser Nachwuchswissenschaftlerinnen in der unsicheren Joblage begründet.

    Natürlich bin ich über jede Frau froh, die es trotz der von mir angesprochenen Widerstände schafft. Und ich wünsche allen, die es trotz aller Unwägbarkeiten wagen, Mut, Durchhaltevermögen, Erfolg und das gewisse Quäntchen Glück beim Netzwerk-Schmieden.

  24. MB meint:

    Danke, Frau Jacob, und danke, GA, für diese Kommentare, die die Schieflage in der Wahrnehmung korrigieren. Wenn Frau Reinwand eingangs schreibt „wenige habilitieren und nur ein Bruchteil wird Professorin“, so heißt das nicht nur, dass von den habilitierten Frauen nur wenige Professorin werden (auch von den habilitierten Männern werden nur wenige Professor!), sondern suggeriert darüberhinaus, dass der Anteil der neuberufenen Professorinnen geringer sei als der Anteil der sich habilitierenden Frauen. Und das stimmt nicht.

    An Frau Stadler: In der Tat haben Sie nicht explizit ausgedrückt, „dass Männer ihre potenzielle Vaterschaft erst gegen das Rentenalter überlegen sollten“, sondern dass sich „diese Frage … fuer Maenner ganz anders stellt: sie koennen sie bis fast ins Pensionsalter hinausschieben.“ Aber bitte, wenn es sich dabei nicht um eine Überlegung mit praktischer Bedeutung, sondern lediglich um eine theoretische Betrachtung gehandelt hat, was soll dann der Kommentar? Dann könnte ich genausogut erwidern, dass dank moderner Reproduktionsmedizin auch Frauen nach der Menopause noch Kinder gebären können, ganz abgesehen von der Möglichkeit der Adaption.

    Frau Wagner, könnten Sie sich vorstellen, mit einem Pantoffelhelden an der Seite in der Wissenschaft Karriere zu machen? (Allein der Begriff „Pantoffelheld“ ist ja schon negativ besetzt.) Es sind ja oft die Frauen, die es nicht akzeptieren, dass ihr Partner nur gleich oder gar geringer qualifiziert ist. Wenn also die Mehrheit der Frauen nach oben schaut, dann wird es natürlich ganz oben ziemlich eng. Und wenn diese Spitzenfrauen mit Schlosser Joe nicht klarkommen, aber Spitzenmänner mit der TA, dann offenbart dies ein ganz anderes Problemfeld als eine angebliche Benachteiligung der Frauen in Berufungsverfahren.
    Es geht auch nicht darum, einen Partner zu haben, „der ihr den Rücken freihält und flexibel und ohne zu Murren jederzeit seine eigenen Interessen aufgibt …“ sondern darum, die gemeinsamen Interessen unter einen Hut zu bringen und Konflikte auszutragen, anstatt sie „ohne zu Murren“ hinzunehmen.

    Und Frau Grimm möchte ich widerprechen, „daß nicht die hellsten Köpfe an den Unis bleiben, sondern die stumpfesten. Oder die mit den reichen Frauen…“ Ganz so schlimm steht’s um die deutsche Universitätslandschaft denn doch nicht.

    Da wir schon bei Anekdoten sind und der Behauptung, Frauen seien keine Haifische, fällt mir noch eine Episode aus meiner Zeit an einer deutschen Hochschule ein: Seinerzeit hatten wir eine Diplomandin, die thematisch von einem Assistenten betreut wurde. Nun geschah es, dass diese während ihrer Diplomzeit in einem molekularbiologischen Labor schwanger wurde, woraufhin unsere Chefin, Frau Professor Lehrstuhlinhaberin, sie vor die Tür setzte (wobei dies sicher nicht in der Schwangerschaft an sich begründet lag, sondern wohl eher in persönlicher Asympathie). Nur mit Mühe und aufgrund des Engagements der (männlichen) Assistenten konnte schließlich ein Kompromiss gefunden werden, dass sie zumindest ihre Diplomarbeit beenden konnte. Mir gelang es danach nicht mehr, unter den Student/innen des Campus eine weibliche Kandidatin für meine Doktorandenstelle zu finden, dermaßen ruiniert ware der Ruf unserer Abteilung. Soviel zu weiblichen Haifischen.

    Und noch etwas konstruktives: Ich denke nicht, dass Frauenförderprogramme, Gleichstellungsbeauftragte und spezielle Netzwerke das Mittel der Wahl sind, um es Frauen zu erleichtern, in der Wissenschaft Karriere zu machen. Ich denke, dass geeignete Kinderbetreuungsprogramme, Flexibilisierung der Lehr- und Forschungstätigkeit und Betrachtung der familiären Situation mit der Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für den Partner bei Berufungsverfahren bessere Mittel wären, und dabei könnten sich Männer wie Frauen gleichmaßen einbringen und auch gleichermaßen profitieren. Dass zumindest eine gut ausgebaute Kinderbetreuung sehr hilfreich ist, kann ich hier in Frankreich erleben. Und dass es allgemein akzeptiert ist, dass Frauen UND Männer zu Hause bleiben, wenn Schulferien sind oder unterrichtsfreie Tage, ebenfalls. Nicht von ungefähr haben die meisten meiner Kolleg/innen Kinder, und als eine Stelle neu besetzt werden sollte, spielte es keine Rolle, dass die Frau bereits offensichtlich schwanger war. Ich glaube, das wäre in Deutschland undenkbar. Ich wage aber zu bezweifeln, dass es ausschließlich die Männer sind, die einer schwangeren Frau Steine in den Weg legen würden (siehe meinen Erfahrungsbereicht weiter oben).

    Zum Schluss: Im Gegensatz zu seso wuensche ich niemandem Glück beim Netzwerk-Schmieden, sondern das Glück, trotz (und nicht aufgrund) bestehender Netzwerke Erfolg zu haben. Mag sein, dass das naiv ist. Mag sein, dass diese Naivität – Verzicht aufs Netzwerke-Schmieden – dazu beitrug, dass ich in Deutschland (noch) keine Professur erhielt… Wie auch immer, es lebt sich auch sehr gut in Frankreich. 🙂

  25. FK meint:

    Ich glaube der grundlegende Unterschied zwischen Männer und Frauen ist, dass sich Männer gerne über den Beruf definieren, während Frauen dies eher nicht tun und auch andere Dinge im Leben für wichtig halten. Dies wurde in einem der anderen Beiträge schonmal erwähnt, aber ich meine das dieser Wunsch nach mehr nicht unbedingt die Gründung einer Familie sein muss.

    Ich arbeite zur Zeit in Schweden und habe an der Uni eine Stelle die einer Assistenz oder Juniorprofessur gleich kommt. Ich frage mich selber mittlerweile öfters ob ich (ohne Mann und Kind) mein ganzes Leben der Wissenschaft opfern will. Meine Zeit für Hobbies oder anderes (seien es nur die notdürftigen Sachen wie mal zu kochen oder die Wohnung aufzuräumen) schwindet rapide dahin. Soll das alles gewsesn sein? Im Moment weiss ich noch nicht ob ich meine Karriere wirklich bis zur Professur durchziehe, aber ich finde es nur allzu verständlich das die ein oder andere Frau auf dem Weg sich dann doch von der Wissenschaft verabschiedet.

    Der Kommentar von Herrn W. (Name von der Redaktion gekürzt), dass Frauen in der Regel schlechter qualifiziert sind als Männer für grundlegend falsch. Ich kenne Frauen, die sogar mit Kindern besser qualifiziert sind als ein Grossteil meiner männlichen Kollegen. Das wichtigste ist wie die Arbeit in der Gruppe funktioniert und wie die eigene Forschung von Kollegen geachtet wird und inwieweit man gefördert wird. Eine grosse Portion Glück, se es Mann oder Frau, gehört mit dazu.

    Trotz allem denke ich, dass es Frauen deutlisch schwerer haben als Männer. Im Studium fand ich zwar das Gerede um Gleichberechtigung und die Benachteiligung der Fraue albern. Aber jetzt wo ich selbst mit meiner eigenen Karriere weiter fortgeschritten bin, merke ich das da doch etwas wahres daran ist. Umso weiter man kommt umso schwieriger wird es sich in der Männerdomäne zu behaupten.

    Ich bin froh, dass ich in Schweden bin, denn hier gibt es deutlich mehr Professorinnen und keine Frau muss wegen Familie und Kindern ihre Karriere aufgeben. Der Erziehungsurlaub wird von beiden Elternteilen in der Regel zu gleichen Teilen uebernommen. Im Prinzip müssten man in Deutschland sokche Systeme übernehmen und dann gäbe es auch Gleichberechtigung und mehr Frauen in gehobenen Positionen.

  26. AC meint:

    Ich denke die Diskussion der Gleichberechtigung geht am Kernproblem vorbei. Als homosexueller männlicher Wissenschaftler sehe ich mich auch einer Diskriminierung ausgesetzt, die aber subtiler als die hier vorgetragenen Argumente abläuft. Allerdings habe ich die Beiträge hier nur kurz überflogen, man möge deswegen entschuldigen sollte jemand doch die Thematik schon angesprochen haben.

    Die Situation, die Frau Reinwand hier anspricht, ist mir aus eigener Erfahrung selbst bekannt. Die Verhaltensvariablen, die sie für die Beschreibung typisch weiblichen Forschungsverhaltens benutzt, würde ich auch für mich persönlich als zutreffend akzeptieren. Sollte man dies nun so verstehen, dass ich eigentlich eine Frau bin? Dann hätte ich aber auch gerne ein Anrecht auf die Inanspruchnahme von Frauenförderungsprogrammen!!!!

    Das wäre im Rahmen des juristischen Staatsapparates der Bundesrepublik sogar möglich! Nämlich genau dann, wenn ich die Voraussetzungen des § 8 TSG (Transsexuellengesetz) erfüllen würde. Das würde vor allem bedeuten, dass ich mich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen müsste. Die Folge wäre eine juristische Anerkennung meines Personenstandes als „Frau“. Ergo, ich hätte den gleichen juristischen Anspruch auf Frauenförderungsprogramme wie eine biologisch erzeugte Frau.

    Ich für mich persönlich habe entschieden, dass die Qualität meiner wissenschaftlichen Arbeit von der Form meiner sekundären Geschlechtsteile unabhängig ist. Ich glaube auch nicht, dass sich hier irgendeiner meiner Kollegen und Kolleginnen dieser Aussage nicht anschließen würde. Darüber hinaus glaube ich ebenso wenig, dass mein Sexualverhalten in irgendeiner Form, die Qualität meiner wissenschaftlichen Arbeit beeinflusst. Ich nehme mal einfach an, dass gilt wiederum im gleichen Maße für meine heterosexuellen Kollegen und Kolleginnen.

    Was ist das Ergebnis dieser Betrachtung? Zeigt es nicht die Absurdität der Geschlechterfrage? Wer meiner Argumentationskette nicht folgen mag, der recherchiere bitte selbst und korrigiere mich gerne. Mich jedenfalls berühren solche Tatsachen auf peinliche Art und Weise. Auch die ganzen Geschlechterdebatten nerven mich, ist das heute wirklich noch so relevant, dass man da soviel drüber schreiben muss?

    Geht es nicht viel mehr darum, wie wir in Zukunft ein leistungsfähiges Wissenschaftssystem aufbauen, das vor allem auf einem aufbaut: Kreativität als Hauptressource. Wie können wir diese in der Wissenschaft fördern? Sind Frauen kreativer als Männer? Die Evolution müsste doch eigentlich kreatives Verhalten sowohl bei der Brutpflege als auch bei der Jagd begünstigt haben. In beiden Fällen wäre ein evolutionärer Vorteil zu beobachten! Was bedeutet dann noch die Geschlechterdifferenz???

    Fordern wir in Zukunft doch mehr kreatives Verhalten in der Wissenschaft, dann müssen wir uns über Frau oder Mann, Homo oder Hetero keine Gedanken mehr machen und hätten vielleicht auch alle mal wieder mehr Freude an unserer eigentlichen Aufgabe: Dem Unbekannten mit Neugier gegenüberzustehen.

  27. ss meint:

    Seit zwei Jahren arbeite ich in Deutschland und musste feststellen dass mein Vater doch Recht hatte: Karriere und Familie gehen nicht zusammen. Familie bedeutet dass man nicht 24 Stunden für die Arbeit da sein kann. Das widerspiegelt sich irgendwann auf die Produktivität oder, besser ausgedruckt, auf die Art und Weise deine Produktivität von anderen wahrgenommen wird (Ich kenne ein paar Frauen die trotz überdurchschnittliche Publikationen nicht weiter kommen).

    Weitere Nachteile als Akademikerin in Deutschland sind die praktische Unmöglichkeit einen Grippenplatz zu finden (ich warte seit 2 Jahren darauf …), das Einkommensteuer ist zu hoch für den Ehepartner mit geringerem Einkommen ( ich bezahle 54% auf meinem Bruttogehalt), Reisekosten müssen auch noch berücksichtigt werden. (In meinem Fall 1/3 meines Nettogehalts). Arbeiten in der Wissenschaft ist für mich in Deutschland einen Luxus geworden, dass ich eigentlich mir nicht leisten kann.

    Was heute von Nachwuchswissenschaftler verlangt wird (Mann oder Frau), erinnert mich an was von Nachwuchsführungskraft in den 80 Jahren verlangt wurde. Wir haben uns irgendwie nicht weiter bzw später entwickelt.

    Eine Hochschulabsolventin die als Nachwuchsführungskraft eingestellt wird, bekommt heutzutage einen unbefristeten Vertrag mit 3 Jahre Kündigungsschutz falls sie ein Kind haben möchte und bezahlte Überstunden. Als Nachwuchswissenschaftlerin mit Doktortitel bekommt man stattdessen einen auf 2 Jahren befristeten Vertrag mit der Selbstverständlichkeit unbezahlten Überstunden leisten zu müssen und einen praktischen Kündigungsschutz von Weniger als 2 Jahre. Als Ökonom verstehe ich nicht wie dieses System die Wachstum vom Frauenanteil in der Wissenschaft fordern soll.

    (… und pardon mein Deutsch).

  28. seso meint:

    Ich stimme MB grossenteils voll zu:
    auch ich „denke nicht, dass Frauenförderprogramme, Gleichstellungsbeauftragte und spezielle Netzwerke das Mittel der Wahl sind, um es Frauen zu erleichtern, in der Wissenschaft Karriere zu machen.“ Auch ich „denke, dass geeignete Kinderbetreuungsprogramme, Flexibilisierung der Lehr- und Forschungstätigkeit und Betrachtung der familiären Situation mit der Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für den Partner bei Berufungsverfahren bessere Mittel wären …“, was beiden Geschlechtern zu gute käme, aber insbesondere den Müttern den Weg erleichtern würde (siehe http://www.academics.de/action/magazine?nav=31064). Auch ich bezweifele, „dass es ausschließlich die Männer sind, die einer schwangeren Frau Steine in den Weg legen würden“, denn die bereits berufenen Frauen haben ihren Weg ohne Unterstützung während der großenteils sogar aufgegebenen Familienphase geschafft. Der Artikel erwähnt, dass insgesamt 88 % der Professorinnen ihren Kinderwunsch zugunsten ihrer beruflichen Laufbahn zurückgestellt haben (50 % der Professoren gaben dies ebenfalls an, Differenz 38 %). Dieses Ungleichgewicht beim Kinderwunsch verstärkt sich noch bei der Realisierung: unter den Professoren haben 59 Prozent, unter den Professorinnen 16 Prozent Kinder (Differenz 43 %).

    Ich stimme daher auch Frau Reinwand zu, dass das Thema „Gleichberechtigung“ wesentlich komplexer ist, als dass wir nichtssagende Floskeln in Stellenausschreibungen bräuchten.“ Andererseits dient diese Floskel eben auch als Erinnerung, dass etwas im argen liegt.

    Im Gegensatz zu MB wünsche ich allen (Männern wie Frauen) aber weiterhin ein wenig Glück beim Netzwerk-Schmieden, weil es nach meiner Erfahrung wichtig ist, mit Entscheidungsträgern auf gutem Fuß zu stehen. Als ich mit dem Studium begann, dachte ich ganz naiv, nur das Interesse und die Eignung zählen. Nachdem ich inzwischen Berufungsverfahren beobachtet habe, denke ich das nicht mehr. Diese Schlussfolgerung beruht natürlich nur auf anekdotenhaften Erfahrungen und bezieht sich auf einen sehr kleinen Fachbereich.

  29. Stefanie meint:

    Die große Bedeutung der Netzwerke liegt natürlich auch nicht unwesentlich im deutschen Berufungsverfahren begründet. Während die „Fly outs“ in den USA meistens zwei volle Tage dauern, in denen der/die Kandidat(in) neben dem Berufungsvortrag auch einen Großteil der Faculty zu ausgiebigen Gesprächen trifft, reichen die anderthalb Stunden Vortrag+Kommissionsgespräch in Deutschland kaum aus, um sich ein abgerundetes Bild vom Kandidaten/der Kandidatin zu machen. Dass diese Informationslücken durch einen Rückgriff auf Netzwerke ausgeglichen wird, ist irgendwo rational und verständlich. Ich denke daher, eine Änderung im Berufungsverfahren wäre daher eine große Hilfe.

    Abgesehen davon entstehen Netzwerke natürlich auch nicht aus dem Nichts. Viele Kontakte, die auf Konferenzen geknüpft werden, entstehen beispielsweise dadurch, dass jemand einen interessanten Vortrag gehalten hat oder sonst wie das Interesse an der eigenen Person geweckt hat. Solche Kontakte sagen zum Teil durchaus etwas über die wissenschaftlichen (und kollegialen bzw. persönlichen) Qualitäten eines Kandidaten aus, und sind daher meiner Meinung nach nicht unbedingt so schlecht, wie sie hier z.T. dargestellt werden.

    Natürlich gibt es unterschiedliche Arten von Netzwerken und nicht alle entstehen aufgrund solcher Qualitäten. Ein guter Rat für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist meiner Meinung nach trotzdem oder gerade deswegen, sich ein eigenes, vom Betreuer unabhängiges, Netzwerk aufzubauen. Vielleicht hilft es dabei auch, nicht primär die eigene Karriere im Kopf zu haben, sondern Kontakte zum Zweck des wissenschaftlichen Austauschs aufzubauen (der Rest foolgt dann von alleine).

    PS: Das Ganze kann im übrigen auch Spaß machen!

  30. Redaktion meint:

    Auf persönlichen Wunsch eines Nutzers wurden seine Kommentare zu diesem Beitrag entfernt.

    Ihre academics-Redaktion

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