Publish or Perish

Jeder Nachwuchswissenschaftler, der eine Karriere im Hochschulwesen anstrebt, hat sich an bestimmte, mehr oder weniger offizielle Regeln des Wissenschaftssystem zu halten. Eine dieser Grundregeln lautet: pulish or perish – veröffentlichen oder zu Grunde gehen.
Ohne eine dem Dienstalter entsprechend lange Publikationsliste wird die Erlangung einer Professur bzw. der nächsthöhere Karriereschritt schwierig. Der Umfang der Publikationsliste ist immer noch einer der ausschlaggebensten Parameter zur Beurteilung eines Wissenschaftlers. Neben dem Umfang spielt natürlich auch die Qualität der Veröffentlichungen eine Rolle, die aber ohne tiefere Kenntnis des Forschungsthemas schwer zu beurteilen ist. Die Veröffentlichung in „Ohhh“ und „Ahhhh“-Journals stellt meines Erachtens nicht immer einen objektiven Richtwert dar.

Getreu also dem Motto „viel hilft viel“ wird veröffentlicht, was die Tasten und Projekte hergeben. Dies hat zur Folge, dass viele unausgegorene, wenig aussagekräftige und anderen Forschern Arbeit machende Publikationen auf den Wissenschaftsmarkt kommen, der damit ja auch am Laufen gehalten wird. Inwieweit dieses Verfahren wirklich vernünftig und sinnvoll ist, bleibt zu bezweifeln.

Kluge Köpfe hatten einmal die Idee, die Publikationen eines Wissenschaftlers auf zwei bis drei pro Jahr gesetzlich zu beschränken. Was würde passieren? Jeder Forscher müsste sich genau überlegen wie er diese wenigen Publikationen sinnvoll ausfüllt und der ewige Wettlauf um Quantität wäre unterbrochen – Qualitätsaspekte würden an Gewicht gewinnen. Eine Idee, über die es sich lohnt nachzudenken….

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4 Kommentare zu “Publish or Perish”

  1. Christoph Meyer meint:

    Liebes Schweizer-Echo, Qualität vor Quantität finde ich auch gut, aber die Anzahl der Publikationen (gesetzlich!!!) begrenzen zu wollen, führt doch wohl mehrfach in die irre. Zum einen wäre dies eine vollkommen inakzeptable Einschränkung der wissenschaftlichen Freiheit und Einfallstor für Zensur, zum anderen, gibt es keinen eindeutigen und fachübergreifenden Zusammenhang zwischen Qualität und Quantität. Manche publizieren lange nichts, aber wenn die Ergebnisse vorliegen, dann vielfach. Manche haben viele tolle Ideen im Jahr, andere nur eine pro Jahrzehnt. Wenn Kritik angebracht ist, dann doch wohl beim Gutachterverfahren, das schliesslich gewährleisten soll, dass Qualität gesichert ist. Und da ist Publikation nicht gleich Publikation. Es ist nicht ohne Grund ungleich schwerer im Aahh- und Ohh-Journal zu publizieren, als in der „Ach-die-gibt-es-also-auch-Zeitschrift“. Angebracht wäre die Kritik auch an quantitativen Zielvorgaben seitens von Unis oder Forschungsevaluationen. Meine persönliche Empfehlung ist in jedem Fall lieber einen sehr guten Artikel in einem Top-Journal als viele Sammelbandbeiträge etc.

  2. tutnixgut meint:

    Lieber Christoph Meyer.
    Du regst an, es muesse das Begutachtungsverfahren verbessert werden, um unnötige und unwichtig Publikationen so gar nicht zum Druck kommen zu lassen. Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Dafür gibt es verschiedene Gründe:
    1) Die GutachterInnen machen das umsonst nebenher und haben einfach nicht genug Zeit, die Arbeit sehr gut zu machen. Tragfähige Vorschläge, wie das geändert werden könnte sind mir noch nicht über den Weg gelaufen.
    2) Die GutachterInnen sind zwar (hoffentlich) ExpertInnen in ihrem Feld – aber niemand lernt systematisch Gutachten zu erstellen – obwohl das eine wichtige wissenschaftliche Tätigkeit ist, ist praktisch niemand drin asugebildet sondern machr es autodidaktisch. Das ist nicht immer schlecht, führt aber oft dazu, dass GutachterInnen versuchen ihre Sicht der Welt in den Artikeln anderer durchzusetzen. Ein „strengeres“ Begutachtungssystem schafft Gefälligkeitsgutachten und Egoismus von BegutachhterInnen nicht aus dem Weg (und beides ist wirklich häufig).
    3) Wissenschaft unterliegt sehr starken Schwankungen was thematische Moden angeht. Manchmal ist in Zukunft aber gerade das wichtig, was heute nur schwer veröffentlicht werden kann. Und: Nur weil jemand in einem weniger beachteten Feld forscht ist er/sie kein/e schlechtere/r Wissenschafltler/in – wird es aber sicher schwer haben in sog. Top Journals zu publizieren. Und
    4) und letztens: Solange Berunfungskommissionen sich praktisch nie die Mühe machen den Gehalt der Publikationen der KandidatInnen zu prüfen, machen Zahl und große Journalnamen was her – auch wenn immer wieder das gleiche drinsteht.

  3. Christoph Meyer meint:

    Lieber tutnixgut,

    zu 1) es gibt Überlegungen für Gutachtertätigkeiten zumindest moderat zu bezahlen, was zumindest bei einigen von nationalen orschungsförderorganisationen praktiziert wird. Das Problem ist auch, dass es immer mehr Journals gibt (gerade in meinem Gebiet), die auch immer mehr Gutachterätigkeit erfordern. Das kann bei gleichbleibendender oder nur langsam wachsender Zahl von qualifizierten Wissenchaftlern auf die Qualität gehen. Andererseits ist es ein unzuverlässige Verallgemeinerung das Gutachter ihre Arbeit mangels Zeit nicht gut machen können. Ich selbst habe mir als Gutachter für verschiedene Zeitschriften, die notwendige Zeit für eine gerechte Beurteilung genommen oder eben abgesagt. Und bei Gutachten über meine eigene Arbeit habe ich fast immer das Gefühl gehabt, dass die Gutachter a) Ahnung und b) meinen Artikel gründlich gelesen hatten.
    2) Ich bin mir nicht sicher ob man lernen muss (oder kann!) Gutachten zu erstellen. Das ist eine sehr individuelle Angelegenheit und man wird normalerweise erst Gutachter für eine Zeit schrift wenn man dort selbst publiziert hat oder zumindest in seinem Gebiet durch Publikationen in anonym-begutachteten Zeitschriften ausgewiesen ist. Wer schlecht oder unfair begutachtet, kann von den Redakteuren aussortiert werden bzw das Gutachten disqualifiziert sich selbst. Da es meist zwei oder mehr Gutachten gibt, setzt sich Qualität auch bei Gutachten tendentiell durch.
    3) Natürlich gibt es Moden in der Wissenschaft und Forschungerkenntnisse, die so revolutionär sind, dass sie noch nicht akzeptiert werden aber das scheint mir doch die große Ausnahme zu sein. Heute gibt es kaum ein Feld mehr, dass nicht sein eigenes gutes Journal hat.
    4) Ich kenne mich mit deutschen Berufungskommission nicht so aus, aber zumindest bei den Kandidaten auf der Shortlist werden sich Kollegen ausgewählte Publikationen sehr wohl inhaltlich ansehen. Doppelpublikationen/Selbstplagiate fallen dort durchaus negativ auf und können Berufungen vereiteln.

  4. André Pleintinger meint:

    Liebe Frau Reinwand,

    ich vertrete auch die Meinung, dass sich akademische Arbeiten im wissenschaftlichen Diskurs bewähren SOLLEN.

    Die Akademische Verlagsgesellschaft München (AVM) will diesen Diskurs fördern und arbeitet in mancher Hinsicht anders als herkömmliche Verlage.

    Sie erleichtert wissenschaftlichen Autoren die Publikation ihrer Arbeit. Daher werden – erstens – keine Druckkostenzuschüsse erhoben. Aus diesem Grunde können – zweitens – in der AVM Arbeiten aus allen Disziplinen veröffentlicht werden.

    Und deshalb prüft die AVM – drittens – zwar, ob die bei ihr eingereichten Manuskripte gegen geltende Gesetze verstoßen oder anstößige oder gewaltverherrlichende Inhalte enthalten. Die AVM nimmt jedoch ausdrücklich keine darüber hinausgehende Bewertung vor. Die bei der AVM verlegten Bücher sind ausschließlich das Werk ihrer Autoren. Als solches bewähren sie sich im wissenschaftlichen Diskurs – oder eben nicht.

    Wir halten diese Form von Offenheit für eine Konsequenz unseres Selbstverständnisses als Plattform für die Publikation von wissenschaftlichen Texten. Denn wir möchten möglichst vielen Autoren die Möglichkeit bieten, ihr Werk zu veröffentlichen.

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