Mentoring – eine alte Idee neu verpackt

Die moderne Wissenschaftswelt hat eine alte Tradition wieder entdeckt: das Mentoring, benannt nach einer Person der griechischen Mythologie. Ein wissenschaftlicher Mentor, heutzutage oft über spezielle Mentoringprogramme vermittelt und zudem chic, berät, unterstützt und begleitet, er kennt Tipps und Tricks des Wissenschaftsalltags und klärt Fragen, die der Jungwissenschaftler mit geringer Erfahrung (noch) schwer selbstständig beantworten kann. Häufig wird aber übersehen, dass ein Mentor noch eine wesentlich wichtigere Funktion erfüllt: er ist Vorbild.

Manchmal hat man das Gefühl, das Wort „Vorbild“ sei zu einem veralteten Begriff verkommen, der bei den vielfältigen individuellen Lebensentwürfen, Möglichkeiten und Selbstverwirklichungsstrategien („create yourself“) unnütz geworden sei. Aus meiner eigenen pädagogischen Forschung kann ich aber bestätigen, dass Vorbilder nicht nur für die Entwicklung von Kindern von zentraler Bedeutung sind, auch für Erwachsene erfüllen sie wichtige Funktionen. Vor Kurzem klagte mir eine Kollegin: „Ich weiß gar nicht, wie ich mich in der Wissenschaft am besten positionieren soll – mir fehlt es an weiblichen Vorbildern.“
Ein Mentor sollte also im besten Fall nicht nur beratend tätig, sondern auch persönliches Lebe-Vorbild sein. Er sollte ein Bild verkörpern, dem es sich aus eigener Sicht lohnt, anzunähern. Das hat nichts mit Kopieren oder Nachäffen zu tun – um einen eigenen Standpunkt zu finden, lohnt ein fixer Referenzpunkt, an den man sich vorübergehend angleichen oder auch bewusst in Kontrast zu diesem treten kann – aber es braucht solche Referenzpunkte!

In meiner eigenen (beruflichen) Biographie gab es bisher immer wieder Menschen, die für mich zu Vorbildern wurden und mir – manchmal „nur“ indirekt – halfen einen wesentlichen Teil meiner eigenen Fähigkeiten zu entwickeln. Bisher wurde das nicht offiziell „Mentoring“ gelabelt, hatte für mich aber die gleiche, nicht zu unterschätzende Bedeutung. Aus meiner Erfahrung kann ich also nur dazu raten, sich (in der Wissenschaft) einen persönlichen Mentor/Mentorin zu suchen, aber aufgepasst: „Wir leben in einer Welt, worin ein Narr viele Narren, aber ein Weiser nur wenige Weise macht.“ (Georg Christoph Lichtenberg)

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